Prof. Philipp Harnoncourt verstorben
Der ehemalige Professor für Liturgiewissenschaft, Christliche Kunst und Hymnologie an der Universität Graz starb in Grundlsee im Kreise seiner Familie, wie die Diözese Graz-Seckau mitteilte. Neben diesen theologischen Fachgebieten erwarb sich Harnoncourt hohes Ansehen durch seine Bemühungen um ökumenische Brückenschläge vor allem zur orthodoxen Kirche; lange Jahre engagierte er sich im Vorstand der ökumenischen Stiftung "Pro Oriente". Die Liste der wissenschaftlichen und geistlichen Publikationen des 1999 emeritierten Hochschullehrers umfasst weit über 500 Arbeiten.
Bischof Wilhelm Krautwaschl erklärte, seinem ehemaligen Lehrer für Liturgie viel zu verdanken: "In Einfachheit hat er - gepackt von der Schönheit des Gottesdienstes - mir und vielen Freude am gemeinsamen Feiern geweckt." Darüber hinaus habe Harnoncourt auch eingeführt in ein oft vergessenes Gebiet geistlichen Lebens, die "Kunst des guten Sterbens", wie Krautwaschl hinwies. Er dankte dem Verstorbenen für dessen "Lebens- und Glaubenszeugnis".
"Philipp Harnoncourt war als Mensch und Christ, als Priester, ungemein engagierter Seelsorger und hochangesehener Wissenschaftler ein Mann von allseits herausragendem Format", hielt der emeritierte Bischof Egon Kapellari am Dienstag fest. Als langjähriger Liturgiereferent der Österreichischen Bischofskonferenz sei er mit dem Theologen auch fachlich besonders verbunden gewesen. Kapellari erwähnte auch die von Harnoncourt bewirkte Rettung der wegen ihrer Dreiecksform kunsthistorisch einzigartigen Heilig-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur.
Als einen der international prägenden Liturgiewissenschafter nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil würdigte Harnoncourt dessen Nachfolger am Institut der Uni Graz, Prof. Peter Ebenbauer. Die praktische Umsetzung der Liturgiereform dieses Konzils, die theologische Reflexion des Gottesdienstes der Kirche und die Ökumene der christlichen Kirchen "bildeten die Kernpunkte seiner weit über universitäre und kirchliche Kreise hinaus fruchtbaren Lehr- und Forschungstätigkeit".
Dietmar Winkler, von Harnoncourt ebenfalls geprägter Kirchenhistoriker und Ökumene-Fachmann an der Universität Salzburg, erinnerte an dessen Konzept des "Eucharistie-Fastens" als Ausdruck eines Sich-nicht-Abfindens mit Gottesdienstfeiern an getrennten Tischen durch die verschiedenen Kirchen. Harnoncourt habe damit freilich nicht ein Weniger an eucharistischem Leben gemeint, sondern "ein Mehr an ökumenisch geprägter eucharistischer Spiritualität in Verantwortung für die eine Kirche Christi", so Winkler.
"Pro Oriente" ehrt Ökumeniker
Als einen der theologischen Vordenker der ökumenischen Annäherung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche würdigte die Stiftung "Pro Oriente" Philipp Harnoncourt. Der international renommierte Theologe arbeitete viele Jahre hindurch in den "Pro Oriente"-Gremien intensiv mit, gründete und leitete deren Grazer Sektion, hieß es in einem Nachruf am Dienstag.
"Pro Oriente"-Präsident Alfons M. Kloss nannte Philipp Harnoncourt eine "herausragende Persönlichkeit der Kirche und des öffentlichen Lebens". Er habe die Ökumene mit den orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen tatkräftig begleitet und stimuliert. Charakteristisch für Harnoncourt sei sein "direkter Zugang zu den Inhalten des christlichen Glaubens" gewesen, wobei er immer bereit gewesen sei, "tradierte Positionen neu zu reflektieren", stellte Kloss fest.
Der steirische evangelisch-lutherische Superintendent Wolfgang Rehner würdigte "das feine Gehör des nun Heimgegangenen für die Vielstimmigkeit in der Ökumene". Die evangelische Kirche in der Steiermark werde seine Stimme im Chor der Ökumene vermissen.
Vita im Zeichen von Glaube, Kultur, Wissenschaft
Geboren wurde der Ururenkel von Erzherzog Johann am 9. Februar 1931 als Philipp Graf de la Fontaine und d'Harnoncourt-Unverzagt in Berlin. Philipp und sein älterer Bruder Nikolaus - der später weltberühmte Dirigent - wuchsen gemeinsam mit der Liebe zur Musik auf, mit 17 entschied Philipp sich jedoch für die Priesterlaufbahn. Nach seinem Theologiestudium an der Karl-Franzens-Universität Graz und in München wurde Harnoncourt am 11. Juli 1954 zum Priester geweiht. Bischof Josef Schoiswohl machte ihn nach einigen Kaplansjahren zu seinem Sekretär.
1963 gründete Philipp Harnoncourt an der heutigen Kunstuniversität Graz die Abteilung Kirchenmusik, leitete sie neun Jahre lang und arbeitete am "Gotteslob" mit. 1972 wurde er Universitätsprofessor stand bis zu seiner Emeritierung 1999 dem Institut für Liturgiewissenschaft, Christliche Kunst und Hymnologie vor. Anlässlich seines 80. Geburtstages stiftete Harnoncourt den auf die Trinität Bezug nehmenden Kunstpreis "1+1+1=1", der den Fokus auf die christliche Gottesvorstellung in Bildender Kunst, Literatur und Musik legte. Sein Interesse an Kunst und Kultur äußerte sich auch in dem österreichweit einzigartigen, von ihm entwickelten "steirischen Modell" der Evaluierung von Kirchenneu- und Umbauten. 2011 wurde auf seine Initiative die Wiederherstellung der Heilig-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur in Angriff genommen, um das bereits 1794 profanierte Sakralgebäude als einzigartiges Denkmal einer neuen Nutzung zuzuführen.
1986 wurde Philipp Harnoncourt von Kardinal Franz König in den Vorstand der ökumenischen Stiftung "Pro Oriente" berufen, deren Grazer Sektion er gründete und viele Jahre hindurch leitete. In der ökumenischen Annäherung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche zählt Harnoncourt zu den theologischen Vordenkern. 1997 wurde er in Sibiu/Hermannstadt (Rumänien) zum Ehrendoktor in orthodoxer Theologie ernannt.