BERICHT zum Symposion der LKÖ: "Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott!"
Das Eucharistische Hochgebet gehört zur Mitte der Eucharistiefeier. Herkömmlich ist dies jedoch längst nicht überall erfahrbar: Dramaturgie und Aufmerksamkeit scheinen bei diesem inhaltlichen Höhepunkt bei vielen an einem Tiefpunkt anzukommen. Ein Grund für die Liturgische Kommission für Österreich, ihr 46. Symposion, 30.9. – 1.10.2024 in Salzburg, diesem zentralen Gebetsvollzug zu widmen. Ziel war, ein vertieftes Verstehen zu fördern und Anstöße zur Weiterentwicklung der liturgischen Praxis zu geben – durch Referate, Erfahrungsaustausch und „kleine Werkstücke“ aus der GottesdienstWerkstatt: auf Aspekte liturgischen Handelns abgestimmte Körperübungen, die der Göttinger Dramaturg und Autor Bernward Konermann anleitete.
Darbringung der Gaben als Ausdruck der Selbsthingabe der Gemeinde
Zu Beginn führte Alexander Zerfaß, Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Salzburg, ausgehend vom Hochgebet der sogenannten Traditio Apostolica in die grundlegende Dynamik des Eucharistiegebets ein. Der Hochgebetstext dieser spätantiken Kirchenordnung diente im Zuge der liturgischen Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil als Muster für neue Hochgebete und als direkte Vorlage für das Zweite Hochgebet. Zerfaß erschloss anhand des dreigliedrigen Aufbaus des Textes aus der Tradition die zentralen Sprechakte des Hochgebets – Dank, Darbringung, Bitte – und ordnete ihnen jeweils eines der Kernthemen des Eucharistiefeierns zu: Vergegenwärtigung, Opfer und Wandlung.Auch wenn in den aktuellen Hochgebeten der dreigliedrige Aufbau nicht mehr so deutlich erkennbar sei, bleibe die Grunddynamik die gleiche: Mittels der Worthandlung werde – so Zerfaß – vergegenwärtigt, dass sich in den Gaben von Brot und Wein die ganze Existenz Jesu und seine Hingabe an Gott und Menschen bis hinein in den Tod am Kreuz, symbolisch verdichtet. Im Vortrag wurde deutlich, dass die Darbringung der Gaben auf die Selbsthingabe der Gemeinde zielt, die sprachlich mit der Selbsthingabe Christi verknüpft ist. Zielpunkt des Wandlungsgeschehens in der Messe ist – so der Textbefund – nicht die Herstellung von Realpräsenz in den eucharistischen Gestalten, sondern „die fortschreitende Wandlung jedes und jeder einzelnen in die Gliedschaft am Leib Christi hinein, sodass jede Eucharistiefeier ein Initiationssakrament bleibt“.
Gedenke, Herr, deiner Dienerinnen und Diener
Die heute nicht unproblematisch gewordene zentrale Kategorie des „Opfers“ – Zerfaß kontextualisierte siemit Hebr 13,15f. („Opfer des Lobes“ und Dienst an der Gemeinschaft und den Nächsten) – gehört prominent auch zum Canon Romanus, der einzigen lateinisch-römischen Quelle eines Hochgebets, deren Kern in das vierte Jahrhundert zurückreicht und aus verschiedenen Gründen heute kaum mehr Verwendung findet.Harald Buchinger zeigte, dass der Canon Romanus ein „Stachel im Fleisch der römischen Tradition“ ist, der allerdings durch mentalitätsgeschichtlich bedingte Bearbeitungen bis hinein ins 20 Jh. abgestumpft ist. Der Regensburger Ordinarius für Liturgiewissenschaft konkretisierte diesen „Stachel“ auf dreifache Weise: 1) Auf Basis von Quellen- und Handschriftenforschung zeigte er, dass die lange Zeit behauptete spiegelbildliche Konstruktion um die scheinbar zentralen Verba testamenti („Einsetzungsworte“) herum historisch nicht haltbar ist; dass 2) das Opfer (sacrificium) metaphorisch zu verstehen ist als ein Opfer des Lobes, das im Vollziehen des Hochgebets besteht; und dass 3) das Subjekt der Darbringung nicht die ordinierten Priester sind, sondern alle Versammelten. Unzweifelhaft deutlich werde dies u.a., wenn – sonst im Lateinischen völlig unüblich! – im Abschnitt Memento domine von Anfang an explizit gegendert wird: „Gedenke, Herr, deiner Diener und Dienerinnen (famulorum famularumque), und aller, die hier versammelt sind, deren Glauben und Hingabe du kennst, die dir dieses Opfer des Lobes darbringen“ (SacramentariumGregorianum, 8. Jh.).
Das Ziel: die Verwandlung der Feiernden
Den Aspekt der Verwandlung durch die Feier der Eucharistie nahm der abschließende Vortrag des evangelischen Theologen Bernd Wannenwetsch, Freie Universität Gießen, über die „ethische Dramaturgie des Hochgebets“ auf: Dabei ging es nicht um moralische Impulse aus der Eucharistie zu einer angemessenen Lebensführung. Zentrales Anliegen war vielmehr die Sensibilisierung für den rituellen Vollzug als „Begehen der Heilsgeschichte“ und als „eucharistische Rolleneinübung“: „Den Glauben als Tugend nicht nur alsintellektuelle Tugend, sondern als praktische Tugend erlerne ich durch aktive Einübung im Nach- und Mitsprechen“ eben auch im rituellen Vollzug.
Auch deshalb müssen liturgiewissenschaftliche Standards im Verständnis des Eucharistischen HochgebetsAusdruck in der Feierpraxis finden – etwa in angemessenen Haltungen beim Vollzug des eucharistischen Hochgebets. So erinnerten Ingrid Fischer und Predrag Bukovec (Wien/Linz) in ihrer Reflexion von „Stehen, Sitzen, Knien“ an die erst im 13. Jh. durch kniende Devotion abgelöste Praxis des sonntäglichen Stehens beim (Hoch-)Gebet. Die darin verkörperte Teilhabe am österlichen Leben würde in gemeinschaftlichstehender Haltung der ganzen Versammlung – gemeinsam mit dem Vorsteher – ebenso „offen-sichtlich“ wie ihr Selbstverständnis als Nachfolgegemeinschaft (in Communio); zudem könne dadurch das Hochgebet als ein kohärenter Sprechakt wahrgenommen werden. Predrag Bukovec unternahm auch eine Einordnung und kritische Kommentierung der 11 approbierten Hochgebete in ihrer Vielfalt. Grundlagen der musikalischen Gestaltung referierte kenntnisreich von den Quellen her der Liturgiewissenschaftler und Gregorianikfachmann Franz Karl Praßl, Graz.
Insgesamt gab die Tagung für die knapp 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zahlreiche Impulse und Anregungen für ein vertieftes Verstehen der Eucharistiefeier.
Dokumentation
Die Beiträge des Symposions werden in Heft 1/2025 der Zeitschrift Heiliger Dienst dokumentiert, das im Frühjahr 2025 erscheinen wird. Bestellung unter: oeli@liturgie.at.
Dieser Bericht wird in der Zeitschrift "Gottesdienst" veröffentlicht.