Im Oktober 2014 begann in Rom die außerordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema „Die pastoralen Herausforderungen im Hinblick auf die Familie im Kontext der Evangelisierung“. Schon bevor Papst Franziskus dazu einlud, hatte die Liturgische Kommission für Österreich beschlossen, diesmal ihr Symposion, von 22. bis 23. September 2014, dem Thema „Familie und Liturgie“ zu widmen. Dahinter stand das Anliegen, die Wahrnehmung zu sensibilisieren, welche Menschen heute an den gottesdienstlichen Ritualen der Kirche teilnehmen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Bedeutung der Versammlung für die Feier des Gottesdienstes wiederentdeckt. Sie ist Sakrament der Gegenwart des Auferstandenen und wesentlich für den Vollzug der Liturgie. Wenn die Versammlung durch, mit und in Christus das Subjekt der Feier ist, kann es nicht egal sein, wer zum Gottesdienst zusammen kommt und wie gefeiert wird. Bischof Klaus Hemmerle hat einmal formuliert: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich zu überliefern habe.“ Wir können ergänzen: Die Botschaft, die wir zu feiern haben. Das lenkt den Blick auf die Menschen und fordert uns als Kirche heraus zu kritischer Zeitgenossenschaft in Sympathie mit ihnen: Wer sind die Familien? Wie leben sie? Wie zeigen sich ihre Sehnsüchte, Hoffnungen, Nöte? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die gottesdienstlichen Feiern in der Vielfalt möglicher Formen? Das Symposion der Liturgsichen Kommission für Österreich, unter dem Titel „FAMILIEN – LEBEN– LITURGIE“, wollte diesen Fragen nachgehen und Raum geben zu Erfahrungsaustausch und Antwortversuchen – fokussiert auf das Leben von Familien. Das vorliegende Heft 1 des 69. Jahrgangs dokumentiert die Vorträge der Tagung und will damit die weitere Auseinandersetzung anregen und fördern. Ausgangspunkt war die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität. Der soziologische Befund von Christine Geserick, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Österreichischen Institut für Familienforschung in Wien, belegt, dass es „die“ Familie nicht gibt und auch niemals gab. Im Unterschied zu früheren Generationen weitet sich aber zunehmend das Spektrum von familialen Lebensformen, die gesellschaftlich als „normal“ anerkannt werden. Was die statistischen Zahlen dokumentieren, wurde in Statements zu Familienrealtitäten anschaulich und berührend lebendig: „So leben und feiern wir mit Familien“ war die Überschrift über Berichte aus Kindergarten und Schule, aus Pfarre und dem Pfadfinderleben, von der Geburtenstation im Krankenhaus und im Pflegeheim sowie aus Sicht eines Familienvaters, der sich im Katholischen Familienverband engagiert. Bei der Dokumentation dieser Kurzbeiträge wurde bewusst der Redestil weitgehend beibehalten. Das Ernstnehmen der Diversität familiärer Lebensformen bestimmte notwendigerweise und deutlich die theologische Reflexion. Die Pastoraltheologin Hildegard Wustmans, Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz, zeigt in ihrem Beitrag Verbindendes trotz höchster Individualisierung heutigen Familienlebens auf: da-runter – mit Blick auf das Veranstaltungsthema – die Ritualkreativität. Der Liturgiewissenschaftler Peter Ebenbauer, Katholisch-theologische Fakultät der Universität Graz, erinnert an die Vorgaben der Liturgiekonstitution (Sacrosanctum Concilium 19), in der Liturgie die spezifischen Anlagen und Dispositionen der Mitfeiernden zu berücksichtigen. Innovativ ist sein Ansatz, ausgehend von den elementaren Grundvollzügen von Liturgie, die „gottesdienstliche Spiritualität“ in den Familien zu entdecken, insofern dort „menschenfreundliche Entfaltungs- und Hoffnungsräume gepflegt“ werden. Mögen diese Nachlese des Symposions der Liturgischen Kommission für Österreich dazu beitragen, das Leben der Menschen als Ort der kirchlichen Lehre zu entdecken (vgl. R. Bucher) und dort die Botschaft immer neu zu lernen, die wir zu feiern haben.
Im Namen der Redaktion P. Winfried Bachler OSB und Christoph Freilinger