Liturgie wird in den christlichen Kirchen im Kontext heutiger westlicher Gesellschaften – zum Teil auch entgegen einem zu beobachtenden Erstarken rituellen Verhaltens zumindest in Teilen dieser Gesellschaften – immer noch höchst einseitig von ihren Inhalten, von den in ihr und durch sie kommunizierten Botschaften her ins Auge gefasst. Der Beitrag nimmt gegen dieses intellektualistische Missverständnis von Liturgie eine andere Perspektive ein, indem er die Handlungsform des Gottesdienstes als Ritual, d. h. als eine besondere Weise menschlichen Körperverhaltens beschreibet.
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Meßner
ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Kath.-Theol. Fakultät der
Universität Innsbruck.
Christoph Freilinger
»Lass uns eins werden durch den Heiligen Geist«
Abstract: H|D 76 (2022) 312–320
Menschen sehnen sich nach Einheit in Vielfalt und Versöhnung. Auch in der Kirche sind das längst nicht allgemein erfahrbare Realitäten. Aber die Liturgie, die das Leben in der Vollendung Gottes „vorauskostet“, stellt im rituellen Vollzug versöhntes Leben dar und bewirkt es dadurch. Der Beitrag zeigt dies exemplarisch an den Vollzügen des Versammelns, der Schriftverkündigung, des Friedensritus und des eucharistischen Mahls. Als Voraussetzung wird einleitend ein Zugang zum Verständnis symbolischer Inszenierung skizziert.
Dr. Christoph Freilinger
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Österreichischen Liturgischen Institut und Schriftleiter von Heiliger Dienst.
Józef Niewiadomski
Ostern überwindet die Vergeltung
Zur Aufhebung von Opfer-Täter-Identitäten
Abstract: H|D 76 (2022) 304–311
Ausgehend vom Film „The Railway Man“ zeigt der Beitrag, wie die Konstellation Opfer – Täter Menschen auf eine schier unüberwindbare Trennung festlegt und die Persönlichkeiten beider tiefgehend de-formiert. Die Überwindung der Spaltung geschieht nicht über einen ethischen Imperativ zur Versöhnung, sie wird aufgebrochen durch die Liebe einer dritten, nicht deformierten Person. Das gilt analog für das Kreuzesgeschehen: Der seit je vom Vater geliebte Sohn kann die Opferidentität in der liebenden Hingabe an den Vater transformieren.
Die Auferweckung bestätigt die Überwindung der Spaltung – das Gericht (vgl. Mt 25,31–46) hat nicht das letzte Wort; am Ende steht die Erlösung der Opfer und der Täter.
Univ.-Prof. Dr. Józef Niewiadomski
war bis 2019 Professor für Dogmatik am Institut für Systematische Theologie an der Universität Innsbruck.
Oliver Achilles
Spaltungen überwinden
Visionen einer versöhnten Welt – und was wir daraus lernen können
Abstract: H|D 76 (2022) 296–303
Spaltungen gehören zur geschöpflichen Existenz des Menschen. Der Beitrag thematisiert den biblischen Niederschlag von Erfahrungen der Trennung zwischen Israel und den Heidenvölkern, zwischen Juden und Christen, zwischen Gott und Mensch. Zugleich überliefert die Heilige Schrift das Wissen um eine grundlegende Einheit und Perspektiven zur Überwindung alles Trennden. Dabei wird deutlich: Nur Gott kann Spaltung und Feindschaft überwinden, dem Menschen kommt es zu, Gottes Versöhnungsangebot anzunehmen.
Mag. Oliver Achilles
arbeitete gut 20 Jahre in der Pfarrpastoral und lehrt seit 2008 als wissenschaftlicher Assistent bei den THEOLOGISCHEN KURSEN in Wien Altes und Neues Testament.
Werner Urbanz
Den Weg der Utopie beschreiten
Die Völkerwallfahrtstexte (Jes 2,1–5 und Mi 4,1–5) und ihre Friedensstrategien
Abstract: H|D 76 (2022) 289–295
Im Alten Testament finden sich Texte (Jes 2,1–5; Mi 4,1–5), die einen friedlichen Ausgleich zwischen den verschiedenen Völkern für möglich halten. In einer „Vision“ sind die Völker bereit, sich an das neutrale Völkerrecht Gottes zu halten. Waffen sind nicht mehr nötig. Für alle ist ein friedliches Leben möglich. Israel soll schon jetzt beispielhaft diesen Weg von Recht und Gerechtigkeit auch gewaltlos leben. Damit wird das Völkerrecht Gottes erst recht faszinierend und anziehend.
Dr. Werner Urbanz
ist Senior Lecturer für Hebräisch und Biblische Einleitungswissenschaft an der Katholischen Privat-Universität Linz sowie Lehrender für Biblische Theologie an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz.
Elisabeth Birnbaum
Jakob und Esau – Anleitung zum Völkerfrieden?
Abstract: H|D 76 (2022) 281–288
Eine der bekanntesten Erzählungen der Bibel ist jene von Jakob und Esau. Dabei geht es keineswegs nur um einen Bruderzwist, sondern um Völkerbeziehungen. Was diese Erzählung von den anderen Bruderkonflikten unterscheidet, ist die Entwicklung, die diese Beziehung durchläuft. Und das versöhnliche Ende, das für das Heftthema entscheidend ist.
Dr.in Elisabeth Birnbaum
Mitglied in der Redaktion von Heiliger Dienst, ist promovierte Alttesta-mentlerin und leitet das Österreichische Katholische Bibelwerk in Wien.
Magdalena Lass
»Reiche und Arme begegnen einander« (Spr 22,2)
Versöhnung zwischen »Arm und Reich«
Abstract: H|D 76 (2022) 273–280
Die Spaltung zwischen „Arm und Reich“ ist nicht „gottgewollt“. Durch alle Kanonteile hindurch finden sich Strategien, diese Kluft zu bewältigen. Trotz aller Sozialkritik der Propheten, weisheitlicher Lehren und Sozialgesetze bleiben die sozialen Unterschiede ein relevantes Thema. Gott ist dabei auf der Seiten der Armen.
Dr.in Magdalena Lass
ist Assistenz-Professorin der alttestamentlichen Bibelwissenschaft an der Katholischen Privat-Universität Linz.