„Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht.“ Mit diesen Worten hat das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum die grundlegende Bedeutung des Wortes Gottes im Leben des Christen und der Kirche in Erinnerung gerufen. In Zusammenhang mit der Liturgie als dem bevorzugten Ort des Hörens und des Verkündigens des Wortes Gottes verweist diese Aussage auf die enge Verbindung zwischen der Verkündigung des Wortes Gottes und dem eucharistischen Opfermahl. Von daher stellte Kardinal Koch in seinen Vorträgen beim Priestertag der Erzdiözese Salzburg am 23. März 2016 den doppelten und doch einen Auftrag des Priesters, seinen Dienst am Wort Gottes und an der Eucharistie, in den Mittelpunkt. Teil II publizieren wir in Heft 4 dieses Jahrgangs.
Kurt Kardinal Koch, Prof. Dr. theol. Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, emeritierter Bischof von Basel.
Gunda Brüske
Denn heute hast du zu uns gesprochen durch das Wort der Schrift Rituelle Inszenierung im Dienst der Schriftverkündigung
Abstract HlD 70 (2016) 109–117
Kommunikation ist schon zwischenmenschlich kompliziert. Was soll das erst geben, wenn Gott hier und heute in der Liturgie durch die Stimme eines Menschen sprechen will? Da ist mehr gefordert als ein offenes Ohr. Der Heilige Geist hilft natürlich, aber auch die rituelle Inszenierung der Schrift.
Dr. Gunda Brüske ist Koleiterin des Liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz in Freiburg und hat an der dortigen Universität einen Lehrauftrag für Liturgiewissenschaft.
Birgit Jeggle-Merz
Die Feier des Wortes in der Liturgie
Abstract HlD 70 (2016) 99–108
Das Wort Gottes ist das Medium der Offenbarung Gottes im Hier und Heute. Im Verkündigungsgeschehen in der gottesdientlichen Versammlung ereignet sich Begegnung zwischen Gott und Mensch, weshalb der Wortliturgie von Anfang an eine unverzichtbare Bedeutung im Gottesdienst der Kirche zukommt. Das Wort Gottes prägt aber die Liturgie über den Akt der Verkündigung hinaus auf vielfältige und unterschiedliche Weise: im vom Schriftwort durchwirkten Beten und Singen, als Möglichkeit der Identifikation mit der Erfahrung von Gottes Heilswirken und als Matrix des rituellen Vollzugs. (Redaktion).
Univ.-Prof. Dr. Birgit Jeggle-Merz ist Professorin für Liturgiewissenschaft an den Hochschulen in Chur und Luzern; sie ist Projektleiterin des Luzerner Biblisch-Liturgischen Kommentars zum Ordo Missae und engagiert sich u. a. in der liturgischen Bildungsarbeit und als Zentralpräsidentin des Schweizerischen Katholischen Bibelwerks.
Heinz-Günther Schöttler
„Den Tisch des Wortes reicher decken“ (SC 51) – aber bitte ‚ordentlich‘!
Abstract HlD 70 (2016) 118–127
Offenbarung ist immer Selbstmitteilung Gottes; der Bund Gottes mit Israel konstituiert ein unmittelbares Verhältnis zu Gott. Selbstgabe Gottes und Unmittelbarkeit sind nicht steigerbar. Diese Prämisse eines kanonischen Schriftverständnisses verlangt nach einer Erneuerung von Leseordnung und Auslegung des Alten Testaments in der Verkündigung. (Redaktion).
Dr. Heinz-Günther Schöttler bis 2016 Prof. für Pastoraltheologie an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg; seit 2006 Dozent für Homiletik am Abraham Geiger Kolleg (Berlin) und an der School of Jewish Theology der Universität Potsdam.
Alexander Zerfaß
Das Buch der Bücher in der Liturgie Überlegungen zum gottesdienstlichen Gebrauch einer Verkündigungsbibel
Abstract HlD 70 (2016) 128–140
Zu den charakteristischen Grund-optionen der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils und der darauf fußenden Liturgiereform zählt die Aufwertung der Schriftverkündigung. Die wohl prominenteste Frucht des Bestrebens, den „Tisch des Gotteswortes reicher“ zu bereiten (Sacrosanctum Concilium [SC] Art. 51), ist die erneuerte und deutlich erweiterte Leseordnung für die Messe. Gerade an diesem Ordo Lectionum Missae [OLM] entzündet sich zugleich eine rege Diskussion zwischen Liturgiewissenschaft und Exegese um die Frage, wie sich bibeltheologische Optionen und die Eigenlogik liturgischer Riten zueinander verhalten. Während die Exegese mehr und mehr den Kanon als maßgebliche Bezugsgröße entdeckt, hat es die Liturgie per se mit Perikopen, „ringsherum beschnittenen“ Schrifttexten, zu tun. Die Prinzipien „Kanon“ und „Perikope“ scheinen in scharfem Gegensatz zu stehen. Als buchtechnischer Brückenschlag wird die Verkündigungsbibel oder Lesungsbibel ins Spiel gebracht: Gemeint ist damit ein Buch, das den vollständigen Text der Heiligen Schrift enthält und ihn graphisch so aufbereitet, dass die zur Verkündigung vorgesehenen Perikopen hervorgehoben sind und direkt aus der Vollbibel vorgetragen werden können. Im französischsprachigen Raum ist jüngst erstmals eine vollständige Bibelübersetzung für den liturgischen Gebrauch erarbeitet worden. Dieses Projekt könnte inspirierend sein für entsprechende Überlegungen auch im deutschsprachigen Raum. Im Folgenden sollen einige historische, theologische und pastoral-praktische Aspekte zur Verwendung einer Verkündigungsbibel in der Liturgie angerissen werden.
Univ.-Prof. Dr. Alexander Zerfaß ist seit Oktober 2015 Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg.
Joachim Wanke
Anliegen und Kriterien für die Revision der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift von 1979
Abstract HlD 70 (2016) 141–148
In Zusammenhang mit der Übersetzung der 3. authentischen Ausgabe des Missale Romanum ins Deutsche stellte sich bald auch die Frage der Erneuerung der Bibelübersetzung. Bischof Dr. Joachim Wanke skizziert den Auftrag der beteilgten Bischofskonferenzen und konferenzfreien Bischöfe sowie die Voraussetzung für die Überarbeitung der Einheitsübersetzung von 1979. Nach einem knappen Einblick in die Organisation und den Ablauf des Arbeitsprozesses erläutert er Ziele und Grenzen der Revision, bevor abschließend anhand von konkreten Beispielen einzelne Ergebnisse der Revisionsarbeit vorgestellt werden. Bischof Wanke schloss sein Manuskript Anfang Jänner 2016 ab.
Bischof Dr. Joachim Wanke war bis 2012 Bischof der Diözese Erfurt, Mitglied der Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz für Pastoral, Ökumene und Glaubensfragen. 2008–2012 leitete er die Kommission der deutschsprachigen Bischöfe für die Revision der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift.
Rudolf Pacik
Zur Kantillation biblischer Lesungen
Abstract HlD 70 (2016) 156–161
Schriftlesungen und Gebete der Liturgie werden von alters her kantilliert. Kantillation ist nicht Gesang, sondern musikalisch stilisierte Rede – mit allen rhythmischen und dynamischen Nuancen des natürlichen Sprechens, nur in besonderer melodischer Gestalt. Diese Vortragsform ist bei uns sonst unüblich; sie muss auch eigens erlernt werden. Doch Kantillieren einfach durch Sprechen zu ersetzen würde den Gottesdienst ärmer machen. Was den Einsatz der Kantillation heute betrifft, sollte man nach liturgischer Funktion, Art des Textes, Anlass und Gemeinde (sowie nach der Fähigkeit der Ausführenden) unterscheiden.
Univ.-Prof. Mag. art. Dr. theol. Rudolf Pacik pensionierter Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Salzburg, ist akademisch ausgebildeter Organist, Mitglied von „Universa Laus. Internationaler Studienkreis für Gesang und Musik in der Liturgie“ sowie Autor und Herausgeber wichtiger Beiträge zu Kirchenmusik und Liturgie, seit 1990 Mitglied in der Redaktion von „Heiliger Dienst“.