14 Siehe, Tage kommen – Spruch des Herrn –, da erfülle ich das Heilswort, das ich über das Haus Israel und über das Haus Juda gesprochen habe. 15 In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich für David einen gerechten Spross aufsprießen lassen.
Er wird Recht und Gerechtigkeit wirken im Land. 16 In jenen Tagen wird Juda gerettet werden, Jerusalem kann in Sicherheit wohnen.
Man wird ihm den Namen geben: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.
Christen hören im Advent viele Zukunftsverheißungen aus den alten Schriften Israels und folgern oft daraus, dass diese mit Jesu Geburt erfüllt wurden. Juden machen demgegenüber geltend, dass ihre Erfüllung immer noch ausstehe. Eine nähere Betrachtung der Texte lehrt, dass die gängige Auffassung von „Erfüllung“ einer Differenzierung bedarf.
Die zitierte Verheißung zum Beispiel wurde nach dem Exilende (537 v. Chr.) formuliert und später den Schriften des angesehenen Propheten zugeordnet. Ihr Verkünder greift auf ein älteres „Heilswort“ für ganz Israel zurück. Gemeint ist die schon früh unterschiedlich überlieferte Natansverheißung über einen Sohn (2 Sam 7,12) bzw. einen späteren Nachfolger (1 Chr 17,11) Davids als Garant des Heils, damaliger Erwartung gemäß. Nach dem Ende des davidischen Königshauses im Exil fragten manche verzagt, ob diese Verheißung noch gelte.
Ihnen versichert der Autor unseres Textes im Namen JHWHs, dass Gott zu seinem Heilswort steht. Allerdings gibt er diesem einen neuen Sinn, in Abwandlung der schon vorher (Jer 23,6) zitierten Fassung: Im Mittelpunkt steht nicht mehr ein bestimmter Nachfolger Davids, sondern Juda und dessen Hauptstadt Jerusalem. Der Fortbestand von Davids Königtum wird nur erwähnt, insofern dadurch Recht, Gerechtigkeit und Sicherheit für den Rest seines Großreichs gewährleistet werden. Die Neuakzentuierung des alten Verheißungswortes kommt auch darin zum Ausdruck, dass nicht etwa ein König (so Jer 23,6), sondern Juda/Jerusalem den Namen erhält, der besagt: JHWH steht zu seiner Bundesverpflichtung, er ist uns gegenüber gerecht (= treu) und verleiht uns Gerechtigkeit (= Heil).
Dieses neu formulierte „Heilswort“ ermutigte die Heimkehrer aus dem Exil, gegen alle Hoffnung auf JHWHs Hilfe in der Zukunft zu hoffen. Ähnlich fassen heute noch Juden diese messianisch gedeutete Verheißung auf, überlassen aber die konkrete Weise ihrer Erfüllung ganz Gott. Christen hingegen sehen – besonders seit der österlichen Inthronisation Jesu „zum Herrn und Messias“ (Apg) - diese und andere Verheißungen in dessen irdischen Auftreten (1. Advent) schon anfanghaft erfüllt, warten aber zugleich auf die Vollendung dieser Erfüllung bei der Parusie (2. Advent); denn dann wird das durch Jesu Auferstehung neugeschaffene „Juda/Jerusalem“ allen Menschen erkennbar als das irdische Vorstellungen schlechthin übersteigende messianische Reich, in dem alle bekennen: „JHWH ist unsere Gerechtigkeit“.